Lange Zeit lebte ich recht unbewusst nach vorgegebenen Regeln. Da konnte ich mich dran festhalten. Ohne Nachdenken. Das Leben war auf diese Weise einfach. Du spurst. Wie ein Zug. Die Gleise wissen, wo es lang geht. Aussteigen nur, wenn andere aussteigen. Bloß nicht auffallen.
Trotzdem war da das ewige Gefühl, in einer Zwangsjacke zu stecken. Die Regeln waren einerseits bequem, aber auch unangenehm. Keine Luft. Keine Freiheit. Wie eine Zwangsjacke.
Zu meiner Einschulung stand der Umzug an. Papa hatte einen neuen Job. Tschüss Heimat am Harzrand. Wir zogen in ein gewachsenes altes Kreisstädtchen. 20.000 Einwohner. Es sollte aber nicht mehr lange Kreisstadt sein. Gebietsreform. Wofür man „Gebiete reformieren“ musste in den 70zigern, niemand weiß es. Wahrscheinlich, um Administrationsaufwände zu sparen. Oder die regionale Zugehörigkeit zu stören oder aufzuweichen. Vielleicht sind die „oder“ auch ein „und“. Egal.
Diese Kreisstadt sollte jedenfalls für die kommenden Jahrzehnte unsere neue Heimat werden.
Es gab damals genau EINE Ampel. Warum ich das noch weiß? Weil es in den Dörfern im Harz gar keine gab. Beschaulich war es also auch hier. So war mein erster Schulweg ohne Ampel.
Unlängst habe ich mal versucht, in meiner Heimatstadt Ampeln zu zählen. Ich habe es dann aufgegeben. Zu viele. Und alle warten brav, bis es grün wird. Auch, wenn niemand den Weg kreuzen will. Zum Beispiel abends. So ist das mit den Regeln. Sie werden befolgt. Und wenig hinterfragt. Wird sich schon jemand etwas dabei gedacht haben. Gibt auch sonst Strafe. Und die anderen gucken ja auch komisch.
Aber die kleine Kreisstadt hat sich unlängst ein Beispiel an Paris genommen. Meiner Lieblingshauptstadt in Europa. Sie haben den Arc de Triomphe nachgestaltet. Selbstverständlich ohne Torbogen. Aber ein Kreisel halt. Wenn die das in Paris Ameisenhaufen-artig mit 8 Spuren hinbekommen, werden die Kreisstädter das mit einer Spur schaffen.
Und? Klappt tatsächlich. Eine Ampel weniger. Und meine Heimatstadt – angekommen in der neuen Zeit. Rücksicht statt Regeln. Fließen lassen statt Ausbremsen. Ich freue mich!
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